Resturlaub bei Kündigung: Auszahlung oder nehmen? Ihr Anspruch erklärt
I. Kündigung erhalten: Was passiert mit meinem Urlaub?
Nach dem ersten Schock über eine Kündigung stellen sich schnell praktische Fragen. Eine der wichtigsten und drängendsten ist: Was geschieht mit meinen restlichen Urlaubstagen? Kann ich sie noch nehmen? Werden sie ausgezahlt? Die korrekte Handhabung des Resturlaubs ist von erheblicher finanzieller Bedeutung und hilft, rechtliche Risiken zu vermeiden. Die Antwort hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Zeitpunkt der Kündigung im Jahr, den Regelungen in Ihrem Arbeitsvertrag und ob Sie den Urlaub vor Vertragsende tatsächlich noch nehmen können.
Die Komplexität des Themas ergibt sich aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Diese haben die Rechte von Arbeitnehmern in den letzten Jahren gestärkt. Dieser Ratgeber erklärt Ihnen als Arbeitnehmer verständlich Ihre Rechte und zeigt auf, worauf Sie bei einer Kündigung, einer Änderungskündigung oder einem Aufhebungsvertrag achten müssen.
II. Wie viel Resturlaub steht mir zu? Die Berechnung
Die Höhe Ihres Urlaubsanspruchs bei einer Kündigung hängt entscheidend vom Zeitpunkt Ihres Ausscheidens ab. Hierbei gilt es, zwei Fälle zu unterscheiden, vorausgesetzt, die sechsmonatige Wartezeit seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ist erfüllt.
A. Kündigung in der ersten Jahreshälfte (bis 30. Juni)
Scheiden Sie bis einschließlich 30. Juni aus dem Unternehmen aus, haben Sie einen anteiligen Urlaubsanspruch. Gemäß § 5 Abs. 1c BUrlG steht Ihnen für jeden vollen Monat, den das Arbeitsverhältnis in diesem Kalenderjahr bestanden hat, ein Zwölftel Ihres Jahresurlaubs zu.
Beispiel: Sie haben einen Jahresurlaub von 30 Tagen und Ihr Arbeitsverhältnis endet zum 31. Mai. Sie waren also 5 volle Monate im Jahr beschäftigt. Ihr anteiliger Anspruch beträgt: (30 Tage / 12 Monate) * 5 Monate = 12,5 Tage. Da Bruchteile von mindestens einem halben Tag aufgerundet werden (§ 5 Abs. 2 BUrlG), haben Sie Anspruch auf 13 Urlaubstage.
B. Kündigung in der zweiten Jahreshälfte (ab 1. Juli)
Hier wird es für Arbeitnehmer besonders interessant: Endet Ihr Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni (also ab dem 1. Juli), steht Ihnen der volle gesetzliche Mindesturlaub zu. Dieser beträgt bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage (§ 3 BUrlG). Viele Arbeitnehmer wissen das nicht und verschenken bares Geld.
Sonderfall: Vertraglicher Mehrurlaub
Oft gewähren Arbeitsverträge mehr Urlaub als den gesetzlichen Mindestanspruch. Für diesen zusätzlichen Urlaub kann im Vertrag eine "Pro-rata-temporis-Klausel" vereinbart sein. Diese Klausel bewirkt, dass der vertragliche Mehrurlaub auch bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte nur anteilig berechnet wird.
Wichtig: Eine solche Klausel ist nur wirksam, wenn sie klar zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub (der voll bestehen bleibt) und dem vertraglichen Mehrurlaub (der gekürzt werden darf) unterscheidet. Ist die Klausel unklar formuliert oder fehlt sie ganz, haben Sie gute Chancen, auch den vollen vertraglichen Mehrurlaub beanspruchen zu können.
Die folgende Tabelle fasst die Berechnung zusammen:
Ausscheiden bis zum... | Gesetzlicher Mindesturlaub | Vertraglicher Mehrurlaub (mit gültiger Kürzungsklausel) |
---|---|---|
30. Juni | Anteilig (1/12 pro vollem Monat) | Anteilig (1/12 pro vollem Monat) |
31. Dezember | Voll (z.B. 20 Tage bei 5-Tage-Woche) | Anteilig (1/12 pro vollem Monat) |
III. Urlaub nehmen oder auszahlen lassen? Ihre Optionen
Grundsätzlich hat die Gewährung des Urlaubs in Natur, also die bezahlte Freistellung von der Arbeit, Vorrang. Nur wenn dies aus bestimmten Gründen nicht mehr möglich ist, kommt eine finanzielle Auszahlung, die sogenannte Urlaubsabgeltung, in Betracht.
A. Urlaub nehmen während der Kündigungsfrist
Sofern die Kündigungsfrist lang genug ist und keine dringenden betrieblichen Gründe (z.B. eine notwendige Einarbeitung eines Nachfolgers) entgegenstehen, können und sollten Sie Ihren Resturlaub noch nehmen. Der Arbeitgeber kann dies auch von Ihnen verlangen. Eine häufige Praxis ist die Freistellung von der Arbeit. Hier ist jedoch Vorsicht geboten:
- Unwiderrufliche Freistellung: Nur wenn Ihr Arbeitgeber Sie unwiderruflich und unter ausdrücklicher Anrechnung der Urlaubstage freistellt, gilt der Urlaub als genommen.
- Widerrufliche Freistellung: Stellt Ihr Arbeitgeber Sie nur widerruflich frei, kann er Sie theoretisch jederzeit zurück an den Arbeitsplatz rufen. In diesem Fall ist der Erholungszweck nicht gesichert, und der Urlaubsanspruch bleibt bestehen – er müsste am Ende zusätzlich ausgezahlt werden!
B. Auszahlung des Resturlaubs (Urlaubsabgeltung)
Kann der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden – sei es wegen Krankheit, einer zu kurzen Kündigungsfrist oder dringender betrieblicher Gründe – muss er finanziell abgegolten werden (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Dieser Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist ein reiner Geldanspruch, der mit der Vertragsbeendigung fällig wird.
Wie wird die Urlaubsabgeltung berechnet?
Die Höhe der Abgeltung richtet sich nach Ihrem durchschnittlichen Bruttoverdienst der letzten 13 Wochen (ca. 3 Monate) vor Ihrem Ausscheiden. Variable Gehaltsbestandteile wie Provisionen oder Zuschläge fließen in die Berechnung mit ein, Überstundenzuschläge jedoch nicht.
Vereinfachte Formel (bei 5-Tage-Woche):
(Bruttogehalt der letzten 3 Monate / 65 Arbeitstage) x Anzahl der Resturlaubstage = Ihr Abgeltungsanspruch
Haben Sie eine Kündigung wegen Krankheit erhalten, entsteht der Abgeltungsanspruch für den Urlaub, den Sie krankheitsbedingt nicht nehmen konnten.
IV. Die Falle: Wann kann mein Urlaubsanspruch verfallen?
Früher galt: Wer seinen Urlaub nicht rechtzeitig beantragt, verliert ihn zum Jahresende oder spätestens am 31. März des Folgejahres. Diese Regel gilt dank wegweisender Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) so nicht mehr!
Die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers: Ihr Urlaubsanspruch verfällt nur dann, wenn Ihr Arbeitgeber Sie aktiv, klar und rechtzeitig darüber informiert hat, wie viele Urlaubstage Ihnen zustehen, Sie aufgefordert hat, diese zu nehmen, und Sie unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub andernfalls verfällt. Die Beweislast dafür liegt beim Arbeitgeber!
Konnte Ihr Arbeitgeber dies nicht nachweisen, können Sie unter Umständen noch Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren geltend machen. Eine Ausnahme gilt bei langandauernder Krankheit: Hier verfällt der gesetzliche Urlaub in der Regel 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres.
V. Sonderfall Aufhebungsvertrag: Verhandeln Sie Ihren Urlaub!
In einem Aufhebungsvertrag können Sie die Modalitäten der Vertragsbeendigung frei verhandeln. Das gilt auch für den Resturlaub. Hier lauern aber auch Gefahren.
- Klare Regelung treffen: Legen Sie exakt fest, wie viele Urlaubstage noch bestehen und ob diese genommen oder abgegolten werden. Bei einer Abgeltung sollte der Bruttobetrag oder eine klare Berechnungsgrundlage im Vertrag stehen.
- Vorsicht bei Ausgleichsklauseln: Viele Verträge enthalten eine Klausel, wonach "alle gegenseitigen Ansprüche erledigt" sind. Eine solche pauschale Klausel kann dazu führen, dass Sie ungewollt auf Ihre Urlaubsabgeltung verzichten! Bestehen Sie darauf, dass Urlaubsansprüche explizit von dieser Klausel ausgenommen oder im Vertrag abschließend geregelt werden.
Die Regelung des Resturlaubs ist oft ein wichtiger Verhandlungspunkt, um eine faire Abfindung zu erzielen.
VI. Fazit: Ihre Rechte als Arbeitnehmer sichern
Die Regelungen zum Resturlaub sind komplex, bieten aber starke Rechte für Arbeitnehmer. Informieren Sie sich genau über Ihre Ansprüche, um kein Geld zu verschenken.
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
- Bei Kündigung in der zweiten Jahreshälfte (ab 1. Juli) haben Sie Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindesturlaub.
- Kann der Urlaub nicht mehr genommen werden, muss er als Urlaubsabgeltung ausgezahlt werden.
- Ihr Urlaub verfällt nicht automatisch. Ihr Arbeitgeber muss Sie vorher klar und nachweisbar informiert und zur Urlaubsnahme aufgefordert haben.
- In Aufhebungsverträgen müssen Urlaubsansprüche explizit und sorgfältig geregelt werden, um einen ungewollten Verzicht zu vermeiden.
Wichtig: Dieser Artikel dient einer ersten Orientierung und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Die korrekte Berechnung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche kann kompliziert sein. Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, empfehlen wir Ihnen dringend, sich professionell durch einen erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Ein Experte kann prüfen, ob Ihre Ansprüche korrekt berechnet wurden und ob die Kündigung selbst wirksam ist. Oft ist eine fehlerhafte Urlaubsabwicklung ein guter Ansatzpunkt, um im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine bessere Lösung für Sie zu verhandeln.
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**Wichtiger Hinweis:** Alle Berechnungen sind unverbindliche Schätzungen! Die Brutto-Schätzung basiert auf dem gewählten Faktor. Die Netto-Schätzung mittels Fünftelregelung hängt stark von Ihren persönlichen steuerlichen Verhältnissen ab und basiert auf den **offiziellen Einkommensteuertarifen für 2025** (gem. BMF-PAP vom 22.01.2025). Sie ersetzt keine individuelle steuerliche oder anwaltliche Beratung zur **Maximierung Ihrer Netto-Abfindung**. Kirchensteuer wird mit 8% (BY/BW) oder 9% (restl. Länder) berechnet. Soli wird gemäß Freigrenzen/Milderungszone berücksichtigt.

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